Systematische Benachteiligung von Familien mit hohen Einkommensunterschieden

Die Deutschen mögen Regeln und Bürokratie. Deswegen sind z.B. auch 10% der gesamten Steuerliteratur der Welt auf deutsch. Eigentlich sollten wir also Übung darin haben sinnvolle oder gar gerechte Regeln und Gesetze zu machen. Leider ist das nicht der Fall. Ein Beispiel, das mich gerade besonders nervt, sind die Regelungen zum Elterngeld. Diese Regelungen sind so schlecht gemacht (oder steckt dahinter sogar Absicht?), dass Familien mit ungleicher Einkommensverteilung stark benachteiligt werden.
Grob gesagt beträgt das Elterngeld 67% des Nettoeinkommens und ist damit genauso hoch wie Arbeitslosengeld (Elterngeld könnte man also analog zu Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt auszahlen lassen. Aber das wäre zu einfach. Stattdessen müssen sich z.B. in Berlin die Bezirksämter damit herumschlagen und Einkommensberechnungen durchführen, die das Arbeitsamt viel besser kann, da es über bessere Einkommensdaten verfügt. Das Elterngeld ist also eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Bezirksämter. So sieht Bürokratieabbau in Deutschland aus!). Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Das Elterngeld ist nach oben gedeckelt. Mehr als 1800 Euro pro Elternteil gibt es nicht (und weniger als 300 Euro auch nicht). Und damit wird das ganze höchst ungerecht für Familien in denen z.B. nur ein Elternteil verdient. Denn nach Adam Riese beträgt das maximale Elterngeld (beide Elternteile gleichzeitig in Elternzeit) bei annähernd gleichem Einkommen 2*1800 = 3600 Euro. Wird das gleiche Einkommen dagegen nur vom einem Elternteil erwirtschaftet so beträgt das maximale Elterngeld nur 1800 + 300 = 2100 Euro. Das ist ein Unterschied von 1500 Euro im Monat zu Ungunsten der Familie mit nur einem Hauptverdiener. Grund für diese Ungerechtigkeit ist, dass die Deckelung pro Elternteil gilt und es nicht eine Deckelung für die gesamte Familie gibt.

Dasselbe Problem ergibt sich mit der gesetzlichen Krankenversicherung während der Elternzeit. Was wenige wissen ist nämlich, dass freiwillig gesetzlich Krankenversicherte trotz Elternzeit weiter Beiträge bezahlen müssen. Ab wann ist jemand freiwillig versichert? Wenn das Einkommen für ein Elternteil oberhalb von 56000 Euro liegt. Der Witz ist auch hier, dass diese Schwelle pro Person berechnet wird und nicht pro Familie. Das bedeutet, dass eine Familie mit zwei Einkommen maximal 2*56000 Euro = 112000 Euro verdienen kann und immer noch beitragsfrei während der Elternzeit bleibt. Gibt es dagegen nur einen Hauptverdiener, liegt das Limit wie schon gesagt bei 56000 Euro.

Dass heisst, dass eine Familie deren Einkommen zwischen 56000 und 112000 Euro liegt, das hauptsächlich von einem Hauptverdiener erwirtschaftet wird, nicht nur wesentlich weniger Elterngeld bekommt, sondern deren Elterngeld auch noch durch zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse weiter effektiv gekürzt wird.

So sieht Familienpolitik in Deutschland aus! Die Familie soll gefördert werden, aber de facto wird die Familie nicht als Einheit betrachtet, sondern in seine Einzelmitglieder aufgespalten. Der Name Elterngeld ist damit nur Irreführung. Es sollte Vater- bzw. Muttergeld heißen.

Und wer mir jetzt ein veraltetes Familienbild vorwerfen möchte, dem sei gesagt: Das Problem bleibt bestehen, auch wenn der Hauptverdiener eine Verdienerin ist. Es ist ein rein mathematisches Problem, welches man durch eine gemeinsame Veranlagung (wie im Einkommenssteuerrecht) bei Elterngeld und Familienversicherung umgehen könnte. Aber offenbar ist das nicht gewollt. Deutschland ist zwar ein Rechtsstaat. Ein gerechter Staat ist er deswegen noch lange nicht.

Keine Kommentare: